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GC Fussball | 28.08.2022

«ZU 70 PROZENT KÜMMERE ICH MICH UMS ZWISCHENMENSCHLICHE»

Giorgio Contini, Cheftrainer des Fussball-Fanionteams, spricht im Interview über den guten Saisonstart, über die Einsatzbereitschaft seiner Mannschaft und über seine Saisonziele  im Video und etwas ausführlicher im untenstehenden Text.

> GC INSIDER Video-Interview mit Giorgio Contini, Cheftrainer der 1. Mannschaft 

 

GC INSIDER: GC steht nach fünf Runden mit neun Punkten auf dem dritten Rang. Das hätten der Mannschaft vor der Saison die Wenigsten zugetraut. Worauf führst Du diesen erfolgreichen Saisonstart zurück?

Giorgio Contini: Da spielen verschiedene Komponenten zusammen. Besonders wichtig ist aber, dass wir unsere 12 bis 13 Stammspieler der vergangenen Saison halten konnten. Sie kennen die Trainings und haben bereits verinnerlicht, wie wir spielen wollen. Gleichzeitig haben sich die neuen Spieler, wie Meritan Shabani, Tsiy Ndenge und Renat Dadashov, schnell integriert. Dies hat eine gute Dynamik ausgelöst und lässt uns zielgerichtet arbeiten. Dabei hilft, dass auch der Staff seit einem Jahr zusammenarbeitet.

In den Medien wurde im Sommer vor allem auch die Transferpolitik kritisiert. Die ersten Resultate deuten jedoch darauf hin, dass die Mannschaft verstärkt aus der Sommerpause kommt. Wie beurteilst Du die Veränderungen, die das Team erfahren hat?

In der Öffentlichkeit wurde die Situation teilweise sehr vereinfacht und überspitzt dargelegt. Natürlich haben wir viele Spieler abgegeben – dabei handelte es sich aber fast ausschliesslich um Ergänzungsspieler, die nicht regelmässig zum Einsatz kamen. Geschmerzt haben allenfalls Abgänge, wie derjenige von Kaly Sène oder von Allan Arigoni. Ansonsten sind alle Spieler, die wir halten wollten, auch geblieben. Und mit den Spielern, die neu dazugestossen sind, bin ich sehr zufrieden.
Das einzige Manko, das wir haben, ist, dass wir in der Breite dünn aufgestellt sind. Hier wären weitere Verstärkungen wünschenswert, damit die Positionen möglichst doppelt besetzt sind und wir bei Einwechslungen keinen Qualitätsverlust erleiden.

Wie willst Du das Team in den kommenden Monaten weiterentwickeln?

Was heute bereits funktioniert, ist das Umschaltspiel von Defensive auf Offensive, bei dem wir die Räume sehr gut zu nutzen wissen. Demgegenüber benötigen wir mehr Qualität im Ballbesitz und mehr Ruhe in der Spielauslösung. Daran arbeiten wir. Hier helfen uns aber auch die Erfahrungen aus der vergangenen Saison: Es gilt, die Entwicklung, die wir bereits gemacht haben, weiter voranzutreiben und Match für Match souveräner aufzutreten.

In der aktuellen Berichterstattung über GC fallen auffallend oft die Worte «Mentalität», «Solidarität» und «Leidenschaft». Mit diesen Eigenschaften konntet Ihr in fünf Spielen dreimal einen Rückstand wettmachen. Gegen St. Gallen habt Ihr sogar ein 0:2 in ein 3:2 gedreht. Welches sind die wichtigsten Faktoren, damit in der Mannschaft jeder für den anderen rennt?  

Diese positive Einstellung ist mir als Trainer ganz besonders wichtig. Dies fordere ich seit dem ersten Tag und sehe es als Aufgabe des Trainerteams, dies auch vorzuleben – und Spass zu haben an der täglichen Arbeit. Jeder macht einmal einen Fehler auf dem Feld, das passiert; aber ich verlange, dass wir uns gerade dann gegenseitig unterstützen und uns füreinander zerreissen. In diesem Bereich haben wir im Vergleich zur letzten Saison deutliche Fortschritte gemacht: Wir haben nun wirklich Spieler da, die unbedingt etwas zusammen erreichen wollen und auch bereit sind, sich entsprechend einzusetzen.

Nun ist es im Spitzenfussball so, dass man als Trainer mit Spielern konfrontiert ist, die ganz verschiedene kulturelle Hintergründe und unterschiedliche Wertvorstellungen mitbringen sowie unterschiedliche Sprachen sprechen. Wie herausfordernd ist diese Aufgabe, daraus ein funktionierendes Team zu formen?

Diese Aufgabe ist anspruchsvoll, aber auch sehr spannend. Als Trainer bin ich nur zu 30 Prozent derjenige, der an der Seitenlinie die Taktik vorgibt. Bei 70 Prozent meiner Arbeit kümmere ich mich ums Zwischenmenschliche. Dabei betrachte ich die Spieler immer als Menschen, nicht als Fussballer. Dass sie Fussball spielen können, wenn sie zu uns kommen, davon gehe ich aus. Wichtig ist, dass sie sich auch wohl und willkommen fühlen. Damit man dies erreicht, ist die Kommunikation entscheidend: Wie gehe ich auf einen Spieler zu? Wie rede ich mit ihm? Wie kann ich ihn sprachlich abholen? Da braucht es sehr viel Fingerspitzengefühl und immer wieder kurze und auch mal längere Gespräche, auf, aber auch neben dem Platz. Die Bedürfnisse sind von Spieler zu Spieler sehr unterschiedlich.

Hast Du ein Beispiel?

Nehmen wir Renat Dadashov: Er ist in Deutschland aufgewachsen, hat mit seinen 23 Jahren extrem viel gesehen und in der Bundesliga schon vor ausverkauften Rängen gespielt. Es ist völlig klar, dass er ein ganz anderes Selbstverständnis und Auftreten hat, als ein junger Japaner, der die hiesige Kultur kaum kennt, extrem diszipliniert ist und sich in den ersten Wochen beim Essen nicht getraut, laut zu reden oder zu lachen. So muss man einzelne Spieler zwischendurch etwas bremsen, andere muss man ermutigen.

Neben den Herausforderungen: Was sind die Vorteile multikultureller Mannschaften?

Der Vorteil ist, dass wir alle gegenseitig voneinander lernen. Einerseits lernen wir mit Kollegen aus anderen Kulturräumen umzugehen. Andererseits bringt jeder Spieler eigene Gewohnheiten und Werte mit in die Mannschaft, die das Team am Ende ausmachen. Gerade auch ich als Trainer schätze diesen Teil meiner Arbeit sehr, weil ich persönlich enorm von diesem Austausch mit unterschiedlichen Typen profitiere.

Damit sich dann aber auch jeder für den anderen zerreisst, wie Du es forderst, braucht es einen starken Zusammenhalt.

Das stimmt. Dabei sind die Werte ein entscheidender Faktor. Die Werte, die mir als Trainer wichtig sind. Die Werte, die sich in der Mannschaft etabliert haben. Aber selbstverständlich ganz besonders auch die Werte des Vereins. Als Trainer ist mir zum Beispiel wichtig, dass wir gemeinsam Frühstücken und Mittagessen. Und das hat nichts mit Kontrolle zu tun – sondern ich will, dass wir uns als Menschen besser kennenlernen. Dies zahlt sich auf dem Fussballfeld aus, gerade in kritischen Spielsituationen.

Für einen wesentlichen Teil des Zusammenhalts sind aber immer auch die Führungsspieler verantwortlich. Bei uns sind das beispielsweise Amir Abrashi oder Dominik Schmid, die an einem trainingsfreien Nachmittag auch einmal einen Badi-Besuch mit anschliessendem Grillabend organisieren. Diese Dinge sind wichtig, damit die Spieler untereinander auch einmal über etwas anderes reden als über Fussball.

Der Zusammenhalt ist auch ausserhalb des Teams wichtig. Ist es ein Vorteil, dass GC mit Bernt Haas einen neuen Sportchef hat, den Du schon lange kennst und mit dem Du bereits in der Vergangenheit erfolgreich gearbeitet hast?

Dies möchte ich nicht überbewerten. Klar, es macht den Start und vieles andere einfacher, wenn man sich schon kennt. Aber letztendlich haben wir beide unsere definierten Aufgabenbereiche: Bernt als Sportchef, ich als Trainer. In diesen Funktionen arbeiten wir professionell zusammen, um das Team weiterzuentwickeln und um erfolgreich zu sein.

Der Saisonstart ist geglückt, aber die Meisterschaft ist noch sehr lang. Was glaubst Du, ist mit dieser Mannschaft möglich?

Wir sehen aktuell: Wenn das Selbstvertrauen stimmt, dann läuft es. Dieses Vertrauen in unsere Fähigkeiten müssen wir uns bewahren und weiter aufbauen. Aber am Ende braucht es für eine erfolgreiche Saison immer auch ein Quäntchen Glück. Trotzdem bin ich überzeugt: Wenn alle gesund bleiben, dann ist mit uns zu rechnen. Unser Ziel muss es sein, mit den unteren Rängen nichts zu tun zu haben. Wenn wir uns unter den ersten Fünf einreihen können, haben wir alle einen guten Job gemacht.
Aber neben der Meisterschaft gibt es auch noch den Cup. Ich erhoffe mir, dass wir in diesem Wettbewerb möglichst weit kommen – und, wer weiss, vielleicht auch einen Exploit schaffen.


Interview/Video: Maurice Desiderato