GC, das bedeutete für Preiss Familie. Thomi Preiss’ Vater Gustav, Jahrgang 1890, Alpinist, erster Akademiker in der Familie (Vater Kassenschrankschlosser an der Kuttelgasse) und einer der ersten Chirurgen hierzulande, die Meniskus operiert haben, war bereits ein Hopper, und zwar Ruderer, Fussballer und Teamarzt («Knie- und Knochenlöter», wie einmal im Cluborgan zu lesen war). Von Familie sprach Thomi Preiss auch eingedenk der Tage, als ausser Eishockey, Tennis und Rudern alle Sektionen auf dem Hardturm-Gelände vereint waren: Fussballer, Landhockey-Spielerinnen und -spieler, Feldhandballer. «Kaum war ich Junior, war ich nur noch im Hardturm zu finden.» Entstanden sind Beziehungen, die mitunter ein Leben lang Bestand hatten.
Seine Leidenschaft hatte einen Preis
Im Fanionteam der Fussballer wirkte Preiss während acht Jahren, von 1946 bis 1954. In dieser Zeit erlebte er Hochs wie Tiefs. Da war 1949 der erste Abstieg von GC in die Zweitklassigkeit, die beiden Jahre in der NLB, schliesslich der Wiederaufstieg mit dem folgenden direkten Gewinn des Doubles 1952. Preiss kam im «Team mit schwieriger Chemie» eine Scharnierrolle zu: Er konnte mit allen reden, den Jungen wie den Alten, den Studenten wie den Arbeitern, den Fleissigen wie den Faulen. Als der Grasshopper Club 1949 nach dem Abstieg schlecht in die erste Saison gestartet waren, lud Preiss die versammelte Mannschaft in den Hinteren Sternen ein und forderte in einer Rede mehr Leidenschaft und Siegeswillen. «Das war der Zeitpunkt, als alle gemerkt haben, dass wir doch ein gemeinsames Ziel haben und als Team etwas darstellen wollen.» Ohnehin sagte Preiss von sich, dass er immer gespielt habe, um zu gewinnen. Die Leidenschaft hatte ihren Preis: Ein Kunstknie, ein versteiftes rechtes Sprunggelenk und eine verlorene Niere – alles wegen des Fussballs.
Goalies waren Freiwild
Gerade für Torhüter war Fussball damals ein Training in Robustheit. Denn der Goalie war Freiwild. «Da sind viele versteckte Fouls passiert.» Der Keeper konnte vom Gegner hinter die Torlinie gedrückt werden und der Treffer zählte trotzdem. Bisweilen lauerte der Kontrahent auch in den eigenen Reihen. «Als ich mir erstmals Handschuhe übergestreift hatte, Fingerhandschuhe aus Wolle, meinte Teamkollege Willy Neukom zu mir nur: ‹Du bisch jetzt en weiche Siech!›» Dabei trug Preiss die Handschuhe nur bei Regen, wenn der Lederball nass und tonnenschwer war und die Nähte für blutige Finger sorgten. Entsprechend waren die Wollhandschuhe nach jedem Spiel kaputt. Nicht mehr brauchbar war auch der Skipulli, der dem Keeper 1952 im Cupfinal gegen Lugano bei warmen Temperaturen und Sonnenschein als Oberteil diente, weil kein Goalieshirt vorhanden war. Immerhin brachte der Pulli Glück: Es war Preiss’ einziger Cuptriumph bei zwei verlorenen Finalspielen (1949 gegen Servette, 1953 im Wiederholungsspiel gegen YB). Das Spiel beim 2:0 gegen Lugano gehört zu seinen besten, fand er rückblickend. Das schönste Spiel im Hardturm? «Trotz der 0:3-Niederlage das Freundschaftsländerspiel Ende Mai 1952 gegen England, mit Stanley Matthews. 33’000 waren da. Das war für mich als Zürcher toll.» Es war eines von zwei Länderspielen von Preiss. Er hatte zwar 1949 ein WM-Ausscheidungsspiel gegen Luxemburg bestritten (5:2), musste aber für die Fussball-WM 1950 als überzähliger Goalie zu Hause bleiben.
Abenteuer in Brasilien
Die Welt hat er über den Fussball gleichwohl gesehen, mit GC unternahm Preiss unter Trainer Willi Treml mehrere Reisen. Die schönste führte ihn 1952 nach Brasilien an die Copa Rio, ein Turnier, das Brasilien nach der 1950er-WM-Final-Niederlage zuhause zur Wiederherstellung des Prestiges geschaffen hatte. Es waren nur Topteams am Start. Peñarol Montevideo etwa bestand praktisch aus der gesamten Weltmeisterequipe von Uruguay. Trotzdem verlor der Grasshopper Club vor 100'000 Zuschauern im Maracanã nur knapp und zudem unglücklich mit 0:1, auch weil Fredy Bickel einen Penalty verschoss. Preiss glänzte in Brasilien derart, dass Botafogo ihn mit einem Profi-Vertrag lockte. «Aber das konnte ich meinem Vater nicht antun. In Rio mit all den Brasilianerinnen, da kommst du nie mehr nachhause.»
Preiss war auch Teil der GC Delegation, die an der Jahreswende 1954/1955 zur Weltreise aufbrach. «Mit den Grasshoppers rund um die Welt in 54 Tagen – wir berührten 21 Länder», liest man auf dem Titelblatt des vom damaligen Captain Willy Neukom zusammengetragenen Buchs. Die sportliche Bilanz: 18 Spiele, 16 Siege, zwei Unentschieden, ein Torverhältnis von 92:21 Toren. Preiss war da allerdings nur zur Hälfte mit von der Partie, die Pflichten des Medizinstudiums hatten ihn vorzeitig nach Zürich gerufen.
Stets engagiert im Verein
Später lenkte Preiss die Geschicke des Vereins als Zentralpräsident (1976-1986) und als Präsident der Fussball-Sektion (1986-1988), deren Vorstand er schon als Spieler angehört hatte. Als Zentralpräsident beerbte er Walter Schoeller. Diesen hatte Preiss schon in jungen Jahren regelmässig nach Sitzungen im Baur au Lac nach Hause kutschiert. «Bestellt hat der Mister GC immer genau dasselbe», so Preiss, «Oeuf poché und zum Abschluss Crêpes Suzette. Von den gut fünf Crêpes hat er stets eine verspeist und ich jeweils die restlichen vier.» Man kann es auch bildhaft lesen: Da war immer auch ein Lebenshunger, den Preiss umwehte.
Die Bande zum Club liess er bis zuletzt nie abbrechen. Schliesslich habe ihm GC viel gegeben, «eine schöne Jugend, eine schöne Zeit, viele Freunde; und ich habe dank GC etwas von der Welt gesehen.» Dem Grasshopper Club hat es Preiss mit seinem vielfältigen Engagement mehr als gedankt: Mit seiner Grosszügigkeit, seinem stilvollen Auftreten, seinem Charme und Schalk sowie seinem Kunstsinn verkörperte er den Geist von GC nicht nur, er lebte ihn.
Reto Baumann