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«FÜR ERFOLG BRAUCHEN WIR EINE GEMEINSAME IDEE»
Foto: zVg

«FÜR ERFOLG BRAUCHEN WIR EINE GEMEINSAME IDEE»

Stephan Schwarz ist seit März 2024 Sportchef beim Grasshopper Club Zürich. In der aktuell schwierigen Situation ist er stark gefordert: Nicht nur gilt es, den Ligaerhalt zu schaffen, auch will er den Grundstein legen, um langfristig etwas aufzubauen und zum Erfolg zurückzufinden. Diese Erfahrung bringt er aus seiner Zeit bei der Bundesliga mit. Dabei hat ihn die Zeit gelehrt: Der Erfolg stellt sich nur ein, wenn alle gemeinsam an einem Strick ziehen.

GC INSIDER: Stephan, Du hast erfolgreich in der Bundesliga gearbeitet. Trotzdem kennt man Dich in der Schweiz noch kaum, weil Du vor allem im Hintergrund tätig warst. Bist Du der «stille Schaffer», als den Dich die deutschen Medien immer wieder beschrieben haben?

Stephan Schwarz: Ja, das ist so. Ich bin keiner, der laut ist. Ich möchte in Ruhe arbeiten, Ideen umsetzen und Projekte vorantreiben, damit wir als Team erfolgreich sind. Das Rampenlicht überlasse ich gerne anderen. Dies entspricht einerseits meinem Naturell. Andererseits bin ich kein bekannter ehemaliger Profifussballer, dem man ganz automatisch Fussballfachverstand zuspricht. Ich muss durch Leistung auffallen, um meine Vita auszugleichen. Dies mache ich, indem ich im Hintergrund mit voller Leidenschaft, fleissig und akribisch arbeite.

Welches ist Dein persönliches Highlight Deiner bisherigen Karriere?

Ich habe in verschiedenen Clubs spannende Zeiten erlebt. Was wir aber beim FC Augsburg in nur drei Jahren aufgebaut und erreicht haben, überstrahlt alles. Als ich zusammen mit Stefan Reuter Ende 2012 verpflichtet wurde, stand der Club in der Bundesliga auf einem Abstiegsplatz. Es gelang, das Team zu stabilisieren und die Klasse zu halten. In der Folgesaison erreichten wir Rang 8, dann sogar Rang 5, womit wir uns für die UEFA Europa League qualifizierten. So kam es, dass wir im Frühling 2016 unter den letzten 32 Teams Europas standen und an der Anfield Road gegen Liverpool aufliefen. Diese drei Jahre waren eine unglaubliche Reise!

Über Ralf Rangnick, mit dem Du in Stuttgart und Hoffenheim gearbeitet hast, hast Du einmal gesagt, dass er Dich geprägt hat mit der Art und Weise, wie er Fussball richtiggehend «seziert». Zahlt es sich aus, Fussball derart «wissenschaftlich» zu betreiben?

Ja, auf jeden Fall. Natürlich liegt die Wahrheit am Ende des Tages auf dem Platz. Aber all die Trainings-, Spiel- und Leistungsdaten, die wir heute haben und die dann sogar noch mit künstlicher Intelligenz aufbereitet werden… die muss man nutzen. Entscheidend ist aber, dass man die Ergebnisse herausfiltert, die für das Team und seine Spielweise wichtig sind, und dass man dann aus den Ergebnissen die richtigen Schlüsse zieht.

Kannst Du das verbildlichen?

Ein Team wie Barcelona strebt einen Ballbesitz von vielleicht 90 Prozent an und ist damit sehr erfolgreich. In Augsburg hatten wir gar nie die Qualität von Spielern, um ein solches Spielsystem anzustreben. Wir zielten deshalb ganz bewusst einen Ballbesitz von 35 bis 50 Prozent an. Und dann ging es darum, das Team so aufzubauen, dass es ihm in dieser wenigen Zeit gelang, den Ball schnell und geradlinig nach vorne sowie mit voller Wucht aufs Tor zu spielen.  Daten helfen dabei, das Team entsprechend zu formen und zu trainieren.

Um Dein Know-how weiterzuentwickeln, warst Du nach Deiner Zeit bei Augsburg viel in der Welt unterwegs.

Ja, ich hatte das Glück, dass ich viele Spiele und Vereine besuchen und erleben konnte, vor allem in Südamerika. Es ging mir darum, verschiedene Spielideen zu studieren und mit Europa zu vergleichen. Was machen sie in anderen Weltregionen anders? Was könnte auch bei uns funktionieren? Argentinien beispielsweise produziert am Laufband junge Spieler. Die müssen also irgendetwas richtig machen. Aber auch Portugal ist in der Juniorenarbeit sehr gut. Oder der FC Sao Paolo: Die Arbeit und Betreuung in der Juniorenabteilung sind unvorstellbar professionell. Dort haben sie eine eigene und komplette Infrastruktur mit allem, was man sich vorstellen kann, sportlich sowie auch medizinisch. Davon können viele der europäischen Spitzenclubs nur träumen. Und warum soll man sich da nicht etwas abschauen und etwas lernen?!

Seit einigen Wochen bringst Du Dein Fachwissen und Dein Netzwerk bei GC ein. In der Super League ist jedoch alles eine Nummer kleiner als in der Bundesliga. Was reizt Dich an dieser Aufgabe?

Die Anfrage von GC kam überraschend. Und ich musste mir ein, zwei Tage überlegen, ob diese Aufgabe zu mir passt. Schliesslich bin ich zur Überzeugung gelangt, dass ich mit meiner Erfahrung dem Club helfen kann, aus der aktuell herausfordernden Situation herauszukommen und langfristig eine Struktur aufzubauen, um zum Erfolg zurückzufinden.
Das kann ich aber selbstverständlich nicht allein, dafür braucht es alle im Verein, von den Spielern über den Staff bis hin zum Sekretariat. Wir müssen alle an einem Strick ziehen.

Welches sind Deine Eindrücke der ersten Wochen?

Ich habe unglaublich viele Eindrücke erhalten und dabei festgestellt, dass nicht nur im sportlichen Bereich Verunsicherung herrscht. Um GC wieder zum Erfolg zu führen, müssen wir auf vielen Ebenen Vertrauen zurückgewinnen, den Club und all seine Unterstützer wieder zusammenführen und zu einer Einheit machen, die gemeinsam nach vorne marschiert.
Wir werden das «alte» GC nicht wieder aufleben lassen können. Aber wir können ein neues GC schaffen, das an die grossen Zeiten und an die bekannten GC Tugenden anknüpft – damit alle wieder mit Stolz sagen können: «Das ist unser GC!»

Welcher Weg schwebt Dir für GC vor, um dies zu erreichen?

Es braucht vor allem Konstanz, um über mehrere Jahre kontinuierlich in eine Richtung zu arbeiten. Wir müssen eine gemeinsame Idee entwickeln und den Weg dahin konsequent verfolgen. Im sportlichen Bereich bedeutet das, dass wir ein Spielsystem finden müssen, das zum Grasshopper Club Zürich, zum Umfeld und zur hiesigen Mentalität passt. Dieses müssen wir über alle Ebenen hinweg umsetzen. Die Spielphilosophie muss deutlich erkennbar werden, damit jeder sofort sieht: Hier spielt GC. Dafür braucht es nicht nur die erste Mannschaft, sondern ganz besonders auch die gesamte Juniorenabteilung, die die Jungen formen und für einen Einsatz in der Super League vorbereiten muss.

Wie kannst Du in Deiner Rolle GC bei dieser Entwicklung unterstützen?

Ich bin der Ideengeber. Gemeinsam mit dem Staff muss ich eine Richtung vorgeben und diese vorleben. Und es wird meine Aufgabe sein, zu überprüfen, ob die Vorgaben von den verschiedenen Teams, Trainern und Spielern umgesetzt und die Ziele erreicht werden. Dabei bin ich direkt und spreche Erwartungen und Probleme klar an – aber nicht um irgendjemanden abzukanzeln, sondern um uns alle besser zu machen. Deshalb sage ich nicht nur, was nicht gut ist, sondern ich zeige vor allem auf, woran der einzelne Spieler oder Trainer arbeiten muss, um sich zu verbessern. 

Apropos Nachwuchsförderung: In der Bundesliga warst Du vor allem auch dafür bekannt, junge vielversprechende Talente zu entdecken und zu fördern. Wird dies auch bei GC eine Deiner Aufgaben sein?

Der Nachwuchs wird in Zukunft eine tragende Rolle spielen. Die Förderung junger Talente war für mich schon immer eine Herzensangelegenheit. Und GC Zürich braucht eine gute Juniorenausbildung, um zum sportlichen Erfolg zurückzufinden. Nachwuchstrainer sollen die erste Mannschaft beobachten können, um aus erster Hand zu lernen, was es braucht, um ein Profi zu werden. Schliesslich müssen sie auch unsere Spielphilosophie mittragen, damit sie wissen, wie und in welchen Belangen sie unsere jungen Spieler ausbilden sollen. Ich hatte das Glück, dass ich als Trainer und als Scout auf diese Weise gefördert worden bin. Dies möchte ich weitergeben und auch anderen ermöglichen. Gute Trainer können wir nachziehen, wenn es innerhalb GC eine Aufstiegschance gibt. Wenn das gelingt, ist das eine tolle Bestätigung der eigenen Arbeit.

Die letzten Wochen waren aus Resultatesicht wenig erfolgreich. GC muss sich bis Ende Mai in der Relegationsrunde behaupten und hat 10 Punkte Rückstand auf den rettenden vierten Rang der Relegationstabelle. Mit welchen Gedanken gehst Du in diese Phase der Meisterschaft?

Mit der vollen Überzeugung, dass nichts unmöglich ist! Dazu müssen wir uns in jedem Spiel verbessern.  Wir müssen mehr Chancen kreieren, um auch Tore zu schiessen. Wobei wir die Defensive nicht vergessen dürfen. Die elementaren Grundlagen des Fussballs eben. Und: Die Zuschauer müssen sehen, dass wir in jedem Match alles geben.

Wie kannst Du als Sportchef dazu beitragen?

Vor allem mit meiner Präsenz, meiner Unterstützung und einem positiven Mindset. Das ist auch einer der Gründe, warum ich die Spiele von der Bank aus verfolge und nicht von der Tribüne. Ich bin viel näher an der Mannschaft, ich bin Teil von ihr. Dabei erlebe ich die verschiedenen Charaktere ungefiltert, was wichtig ist für die Beurteilung des Gesamtgefüges der Mannschaft. Da habe ich gesehen, dass das Team einen unglaublich guten Zusammenhalt hat. Es wird alles reinhauen, um den Ligaerhalt zu schaffen.

Maurice Desiderato

  • Sportchef Stephan Schwarz ist ein stiller Schaffer und Beobachter. Sein Know-how und seine Erfahrung bringt er ein, um mit GC zum Erfolg zurückzufinden. Foto: zVg
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