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GC Fussball | 28.08.2020

AUF EINEN ESPRESSO | MIT ADI NOVENTA

Mein Gesprächspartner wählte die Location für unseren Kaffeeklatsch das Restaurant „Adlisberg“ am Stadtrand der Limmatstadt, „auf dem Land“ gelegen. Vor zwei Tagen hat der FC Vaduz in der Barrage gegen den Super League-Vertreter FC Thun die Oberhand behalten und den Aufstieg geschafft, während schon vorher die Entscheidung gefallen war, dass GC einen weiteren Anlauf für einen Aufstieg in Angriff nehmen muss.

Wir sitzen im Garten, nur zwei, drei lärmende Lastwagen durchbrechen die sonst angenehme Stille, sie bedienen eine nahe gelegene Baustelle mit Materialen. Ansonsten fällt unser Blick auf vorbeiziehende Wanderer und Jogger, darunter Dr. Ronny Gruhler, Grasshopper wie Adi Noventa (70), der um 2006 während einer gewissen Zeit das GC Team während der Spiele als Teamarzt begleitet hat. Nach einem kurzen Small-Talk, natürlich um die Leistung der Grasshopper kreisend, läuft er in der drückenden Hitze weiter, Chapeau!

Bei einem vorzüglichen Espresso war das wichtigste Gesprächsthema die Schlussphase der wegen Corona nicht ganz „unfallfrei“ verlaufenen Meisterschaft der Challenge League. Nach dem dem Lockdown geschuldeten Unterbruch gelang dem GC Team ein bemerkenswert guter Re-start, die Aufstiegshoffnung wurde genährt. Zwischenzeitlich sah es sogar aus, als könnten die Grasshopper den Aufstiegsfavoriten Lausanne noch überholen, aber mindestens der Barrage-Platz schien in Reichweite. Bis zur Schlussphase, in der der FCV die bessere Nerven zu haben schien und gleichzeitig das GC Team schlapp machte. Die Entscheidung fiel tatsächlich in der letzten Runde, in die der FC Vaduz mit drei Punkte Vorsprung auf den GC und dem besseren Torverhältnis gestiegen war. Obwohl er in Kriens verlor konnte GC davon nicht profitieren – die Hopper selbst verloren ebenfalls, historisch hoch 0:6 gegen den FC Winterthur. Damit war der Verbleib des Rekordmeisters in der Challenge League besiegelt. Der FC Vaduz hatte schliesslich die Barrage gegen den FC Thun gewonnen und wird die nächste Saison in der Super League bestreiten.

Dieser spannende Zweikampf musste doch den Blutdruck meines Gesprächspartners Adi Noventa in die Höhe getrieben haben. Er, der eine Vergangenheit als Fussballer beim FC Vaduz als auch im GC NLA Team und später während vieler Jahre bei den Senioren hat. Zur Überraschung relativiert er. „Ich freute mich über den Aufschwung des FCV, wegen meiner nach wie vor intakten Beziehungen zum Fürstentum (er war dort u.a. während zwei Jahren Sportchef des Nationalteams) und vor allem auch wegen des Engagements meines Neffen Mario Frick, der in der Tat eine hervorragende Trainerarbeit abliefert. Aber mein Herz ist blau-weiss. Ich bin zwar ein kritischer Beobachter der Entwicklungen, aber ich stehe immer zum GC, bin ich doch seit nunmehr 51 Jahren bedingungsloses Mitglied Nr. 1124 des Grasshopper Club, ich würde nie etwas tun, das dem GC Schaden zufügen könnte.“ Vor dem Besitzerwechsel stellte er sein Fachwissen Verwaltungsrat-Vizepräsident Andràs Gurovits als Berater zur Verfügung. „Ich sage immer, als älterer Staatsmann muss man sich doch dann und wann zu Wort melden und die jungen Politiker vor offensichtlichen Gefahren warnen, in die sie sich manövrieren. „Übersetzt: Auch eine Clubführung darf sich getrost konstruktive Kritik anhören.“ Zur Zeit setzt sich Adi Noventa mit den neuesten Entwicklungen auseinander. „Nachdem sich trotz intensiver Bemühungen keine Schweizer Lösung realisieren liess, müssen wir für die chinesischen Investoren nicht nur dankbar sein, sondern sie auch in allen Belangen unterstützen. Aber auch die Tradition muss weiterhin gepflegt werden. Oberstes Ziel muss sein, die aussergewöhnliche GC Geschichte fortzuschreiben und die Rückkehr in die oberste Liga zu bewerkstelligen.“ Dazu gehört nach Ansicht von Adi Noventa auch der Aufbau einer schlagkräftigen Mannschaft, die „nicht nur als jungen Talenten“ gebildet werden kann. „Wir haben nach dem Re-start gesehen, dass die jungen Akteure viel Potential haben, aber Mühe bekunden, über mehrere Spiele die volle Leistung zu bringen. Es ist doch bekannt, dass der Einbau von Talenten am erfolgreichsten ist, wenn er schrittweise erfolgt. Zudem sollten im Regelfall nur einzelne Spieler mit Vorteil in einen eingespielten Teamverbund eingegliedert werden. Junge Spieler brauchen erfahrungsgemäss eine längere Angewöhnungszeit an den höheren Rhythmus, an die gesteigerten physischen und auch mentalen Anforderungen. Vor allem wenn sie „von null auf hundert“ mehr als die ganze Mannschaft bilden, wird‘s - wie gesehen - kritisch, und auch die arrivierten Spieler können den Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Adi Noventa wird während unseres Gesprächs nicht müde, darauf hinzuweisen, dass den vom neuen Besitzer eingesetzten Führungskräfte ebenfalls Zeit eingeräumt werden muss, um ein Fundament für eine prosperierende Zukunft legen zu können. „Die Verantwortlichen beschreiten einen langen, steinigen Weg.“

Adi Noventa ist jemand, der klar Position bezieht. So „verscherzte“ er es dann schon auch mal mit seinen Freunden in Vaduz, wenn er in Leserbriefen darauf hingewiesen hat, dass der FCV eigentlich nicht in die höchste Schweizer Liga gehöre: „Das Umfeld passt nicht, das Zuschauerpotenzial ist zu gering, finanziell ist er abhängig von einem einzigen Grosssponsor, zudem fehlen die fussballerischen Ressourcen in der Region. Es kann sich keine Kultur entwickeln, wenn der Club von „Söldnern“ und „Durchreisenden“ ohne Bezug zur Region abhängig ist. Das entspricht nicht einer Nachhaltigkeit. Aber die in der abgelaufenen Saison erbrachte Leistung verdient meinen grössten Respekt und ich wünsche dem FC Vaduz viel Erfolg.“

Das Gespräch dreht sich noch einige Zeit um Fussball, der grossen Leidenschaft des Adi Noventa. Dann muss er aber aufbrechen: Die Kids des Junioren-Ferien-Camps des FC Witikon brauchen den Organisator. „Ich bin seit Jahren Vorstandsmitglied des FCW, trainiere drei Junioren-Teams und biete jeweils dort Unterstützung, wo sie benötigt wird, so zum Beispiel jetzt, da der eigentliche Campleiter beruflich verhindert ist.“ Unübersehbar, die vielen Aktivitäten halten Adi Noventa jung und dynamisch.

Eugen Desiderato

KURZPORTRÄT ADI NOVENTA (70)
Geboren in Bludenz, aufgewachsen im Fürstentum Liechtenstein. Pensionierter Inhaber einer Versicherungsagentur. Langjährige Erfahrung im Fussball als Spieler (u.a. ab 1969 viereinhalb Jahre beim GC), Trainer (2 Jahre FC Winterthur), Sportchef (2 Jahre Nationalmannschaft Liechtenstein), Manager, ehrenamticher Funktionär, Technischer Leiter und Berater). Bekennender Witikoner (dieses Jahr richtete er seine Erst-August-Rede per Video an die Mitbewohner).