FARHAD KARIMIAN: SEINE BEGEISTERUNG IST ANSTECKEND
Seit zwei Jahren sorgt Farhad Karimian für ein intaktes, sauberes Bootshaus der GC Sektion Rudern. Er führt kleinere Reparaturen selbständig aus, hält Heizung und Lüftung instand und ist für Bestellungen zuständig. Der 35-jährige Iraner verrichtet seine vielfältigen Aufgaben mit grosser Hingabe und wird von den Ruderern, auch wegen seines freundlichen Wesens sehr geschätzt. Sie halten fest: "Seine Begeisterung in ansteckend."
Farhad Karimian ist in Täbris mit seinen 1,6 Mio Einwohnern, im frühen 20. Jahrhundert die grösste Stadt Persiens, geboren. Dort, in der Nähe der Grenzen zu Aserbaidschan und der Türkei hat er als 16-Jähriger eine Lehre als Starkstrom-Elektriker absolviert, wechselte dann aber ins Fitness-Fach, liess sich zum Personaltrainer ausbilden und führte während fünf Jahren ein eigenes Fitness-Studio. Hier lernte er den Umgang mit Menschen. Dank der geografischen Lage seines Wohnortes konnte er sich in den Sprachen Azeri und türkisch, Farsi, die Schulsprache Irans und englisch ausdrücken. Eine weitere, deutsch, kam nach seiner Flucht hinzu. Fast unglaublich, wie perfekt er sich nach knapp zehn Jahren in der Schweiz in der Landessprache ausdrückt. "Iran ist mein Traumland, aber aus bestimmten Gründen sehnte ich mich nach einem stressfreieren Leben. Durch meine Flucht musste ich vieles in meiner Heimat zurücklassen wie Familie und Freunde, aber ich habe hier gefunden, was ich suchte", erzählt Farhad Karimian.
Leicht hat er sich hier nicht gemacht. So drängte er von Beginn an darauf, arbeiten zu können. "Nur durch Arbeit komme ich mit vielen Menschen zusammen und kann die Sprache lernen", sagte er sich. Nach ständigem Drängen erteilte ihm das Sozialamt die Bewilligung, freiwillig arbeiten zu können. "Acht Franken habe ich pro Tag verdient, der Lohn stand für mich aber nicht im Vordergrund, ich wollte ganz einfach arbeiten und das "System Schweiz" kennen lernen, sagt Karimian. So wurde er in der Gastronomie im Service eingesetzt, nachdem er auch entsprechende Kurse besucht hatte, arbeitete zum Beispiel im Stadtspital Triemli, in der reformierten Kirche Effretikon etc. "Ich habe in zwei Jahren von sechs Arbeitgebern je ein Arbeitszeugnis erhalten, was mir half, einen weiteren Schritt zu machen, nachdem ich nach dreieinhalb Jahren die Arbeitsbewilligung erhalten hatte." Diesen vollzog er mit der Absolvierung einer dreijährigen Lehre als "Fachmann Betriebsunterhalt" im Technischen Dienst des Privatspitals Bethanien an dessen Ende er den Eidgenössischen Fähigkeitsausweis mit der Note 5,4 abgeschlossen hat. Seither arbeitet er bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia als Haustechniker (40 Prozent) und bei der GC Sektion Rudern (60 Prozent).
In der Regel ist Farhad Karimian vormittags im GC Bootshaus anzutreffen und sorgt nicht nur dafür, dass das Traditionshaus "in Schuss bleibt", sondern kümmert sich auch um dessen Umgebung. So ist er mächtig stolz auf den "englischen" Rasen den er letztes Jahr zwischen See und Bootshaus angesät und gepflegt hat. Farhad Karimian sorgt sich aber nicht nur für das Wohl des Hauses und der Umgebung, wo er zuletzt auch einige Sträucher gepflanzt hat, sondern auch um das Wohl der Ruderer, denen er samstags ein Frühstück zubereitet und bedient dann und wann auch Besucher mit einem Tee oder Kaffee - und wenn gewünscht, hält er auch mit ihnen einem Schwatz. "Das Leben ist so kurz, da muss man doch gegenseitig gut auf sich schauen und das Zusammensein möglichst angenehm gestalten", ist der Iraner überzeugt, der nicht nur im Bootshaus arbeitet, sondern auch hier wohnt. "Von einem Nachteil möchte ich nicht sprechen, aber es kann schon vorkommen, dass ich auch in meiner Freizeit eine Lampe auswechsle oder ein Schloss in Gang bringen muss... Auch letztes Jahr, als ich Corona-bedingt die Ferien zu Hause verbrachte, war ich nicht wirklich in Ferien, sondern zur Stelle, wenn es die Situation erforderte. Das mache ich aber gern, beklage mich nicht – ganz im Gegenteil, ich bin total glücklich", hält er fest.
"Ich habe ein neues Leben gesucht und es in der Schweiz gefunden. Zu Beginn kannte ich keinen Menschen, habe mich aber angepasst. Das Erlernen der für mich unbekannten Sprache und der Kultur hat mich viel Kraft gekostet, aber es hat sich gelohnt", hält Farhad Karimian fest, lächelt, und macht sich auf, den Eingangsbereich des GC Bootshauses zu wischen.
Eugen Desiderato