Florian, im Januar hat GC die Zusammenarbeit mit Strykerlabs verkündet. Was hat es mit dieser Partnerschaft auf sich?
Wir sammeln schon seit mehreren Jahren die Trainings- und Spieldaten unserer Spieler, um deren Belastung gezielt zu steuern. Dabei geht es unter anderem darum, das Verletzungsrisiko zu minimieren, die Spieler positionsbezogen zu trainieren und am Spieltag topfit zu sein. Die Software von Strykerlabs unterstützt uns dabei, die gesammelten Daten zu interpretieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Welche Daten werden in das System eingespeist?
Im Moment beschränkt sich die Zusammenarbeit auf den Athletikbereich. Verarbeitet werden die GPS-Daten unserer Spieler, die wir während den Trainings und Spielen sammeln. Dabei geht es vor allem um die zurückgelegten Distanzen, Sprintdaten und die Intensität. Um diese Daten richtig interpretieren zu können, füttern wir das Programm mit weiteren Informationen, wie dem subjektiven Befinden des einzelnen Spielers, seinem Alter, seiner allgemeinen physische Konstitution und seinen Daten aus der Physiotherapie. Vereinfacht kann gesagt werden, dass wir den gesamten Trainingstag unserer Spieler bestmöglich im Programm abbilden.
Welche Informationen berechnet Strykerlabs aus den Daten?
Das Programm berechnet die aktuelle Belastung der einzelnen Spieler und macht gleichzeitig Vorhersagen, wie deren Körper in einer bestimmten Trainingsform zusätzlich gefordert werden. Dies ermöglicht uns, die Trainingseinheiten so zu konzipieren, um sehr genau die gewünschte Belastung zu erzielen. Steuern können wir dies beispielsweise über die Dauer einer Übung oder die Grösse des Trainingsfeldes. Während des Trainings können wir die Belastung jedes einzelnen Spielers live verfolgen und die Übungen bei Bedarf anpassen. Dabei zeigt sich, dass die Vorhersagen des Systems sehr genau sind.
Strykerlabs arbeitet mit künstlicher Intelligenz. Was ist der Vorteil gegenüber einer Interpretation durch den Trainerstaff?
Es gibt zahlreiche Software-Programme, die Datenanalyse im Sport anbieten. Die Stärke unseres Partners ist es, dass sein Algorithmus immer besser lernt, wie wir trainieren. Dies macht die Vorhersagen der Trainingsbelastung sehr genau und kann tatsächlich die Arbeit eines Datenanalysten ersetzen. Gleichzeitig können wir dank dem Programm viel stärker auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Die Belastung eines Innenverteidigers ist eine andere als diejenige eines Flügelspielers. Da ist es wichtig, die Trainingseinheiten und auch die Erholungszeiten für die einzelnen Spieler zu individualisieren.
Wo liegen die Grenzen derartiger Algorithmen?
Die Grenzen liegen dort, wo der Faktor Mensch ins Spiel kommt. Gefühle können nicht in nackten Zahlen abgebildet werden. Ist ein Spieler im Hoch, weil er am Wochenende drei Tore geschossen hat? Oder ist er unzufrieden, weil er wenig Einsatzminuten erhält? Funktioniert das Team als Einheit oder gibt es Spannungen? Hat ein Spieler private Probleme? Dies sind alles Dinge, die eine Software nicht erfassen kann. Deshalb bleiben «Bauchentscheide» des Trainerstaffs wichtig. Und das finde ich persönlich auch schön. Denn bei allen verfügbaren Daten darf der Mensch dahinter niemals vergessen gehen. Deshalb glaube ich nicht, dass in diesem Bereich die Maschine den Menschen vollständig ersetzen kann.
Wo stehen GC und der Schweizer Fussball im Bereich der Datenanalyse im Vergleich zu den europäischen Top-Ligen?
In den grossen Ligen wird bereits seit einigen Jahren sehr viel stärker mit Datenanalyse gearbeitet: in der Athletik, im taktischen Bereich und sogar im Scouting. Englische Clubs haben ganze Analysten-Teams, die nichts anderes tun und sich voll auf diese Aufgabe konzentrieren können. Der Schweizer Fussball wird sich wohl in den nächsten Jahren auch in diese Richtung entwickeln. Es wird aber auch eine Frage des Geldes sein, wie weit dies möglich sein wird.
Interview: Maurice Desiderato