Oliver Beck: Über welches Thema könntest du stundenlang diskutieren, ohne dass es dir langweilig wird?
Gerald Scheiblehner: Ja, über Fussball natürlich, vor allem über junge Spieler. Das ist ein Thema, das sehr umfangreich und spannend ist, weil es nicht nur um Fussball geht, sondern auch um die Persönlichkeit dahinter. Und das ist, glaube ich, das Thema, über das ich wahrscheinlich nie aufhören kann zu diskutieren.
Oliver Beck: Und abgesehen vom Fussball?
Gerald Scheiblehner: Das Thema Führung beschäftigt mich stark. Wie führt man ein Team? Das ist für mich ein sehr spannendes Thema, mit dem ich täglich konfrontiert bin. Ich tausche mich oft mit anderen Persönlichkeiten aus, bekomme Rückmeldungen, reflektiere mich selbst. Darüber kann man sehr lange sprechen, weil es immer Sinn macht, daran zu arbeiten.
Gerald Scheiblehner: Wie sieht ein perfekter Tag für dich in fünf Jahren aus?
Oliver Beck: Beruflich sind wir als GC, sportlich wie kommerziell, so weit entwickelt, dass man uns vielleicht wieder ein bisschen mit den erfolgreichen Zeiten von früher vergleicht. Das soll das Ziel sein: dass wir stolz sind, für den Club zu arbeiten, und zwar stolz auf die letzten fünf Jahre, die wir gemeinsam entwickeln konnten. Fussball ist ein sehr schnelllebiges Geschäft, es gibt ständig Veränderungen. Umso schöner wäre es, wenn wir den Kern zusammenhalten können.
Privat bin ich glücklich, wenn ich meine Tochter weiterhin so oft sehe, wie jetzt, sie sich gut weiterentwickelt und gesund bleibt, die Familie gesund bleibt, und ich weiterhin in die Berge zu meinen Eltern fahren kann. Dann ist für mich schon sehr viel erreicht, eigentlich alles, was ich will und brauche im Leben.
Oliver Beck: Gibt es einen Wert oder eine Haltung, die dich besonders prägt?
Gerald Scheiblehner: Ja, Ehrlichkeit ist für mich ein sehr wichtiger Wert, auch wenn ich damit nicht immer gute Erfahrungen gemacht habe. Trotzdem ist es mir wichtig, dass man ehrlich miteinander umgeht. Das ist manchmal hart, aber wenn man ehrlich sein kann und sagt, was man denkt, kommt man im Endeffekt weiter.
Wenn ich im Privaten, also mit Freunden, nicht ehrlich sein kann, ist es mir nicht wert, viel Zeit miteinander zu verbringen. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass meine Zeit kostbar ist. Deshalb umgebe ich mich nur noch mit Menschen, die mir guttun, die mich fordern und weiterbringen. Ich habe aufgehört, mich mit Menschen zu beschäftigen, die mir nichts geben. Ehrlichkeit ist wahrscheinlich mein wichtigster Wert, wenn ich über alle nachdenke.
Gerald Scheiblehner: Wie triffst du wichtige Entscheidungen?
Oliver Beck: Ich versuche, eine Frage von allen Seiten zu betrachten und abzuwägen. Ich versetze mich in die Position der anderen, um zu verstehen, was dafür und dagegen spricht. Dann priorisiere und strukturiere ich. Ich finde es wichtig, andere einzubeziehen, um verschiedene Blickwinkel zu erhalten. Das hilft, sich selbst weiterzuentwickeln und zu verstehen, wie andere über gewisse Entscheidungen denken.
Oliver Beck: Was machst du zum Abschalten oder um Energie zu tanken?
Gerald Scheiblehner: Dann verbringe ich einfach Zeit mit meinen Kindern und meiner Familie. Wobei; ich habe gar nicht so das Bedürfnis, komplett vom Fussball abzuschalten. Fussball gibt mir Energie. Wenn ich frei habe, schaue ich mir irgendwo ein Spiel im Stadion an, das gibt mir Kraft. Ich brauche keine zwei Wochen ohne Fussball, mir reicht eine Veränderung des Ortes, weg vom Campus, Spiele ansehen, das entspannt mich.
Wenn länger kein Spiel ist, merke ich, dass mir etwas fehlt, dann werde ich unruhig, laufe »unrund» und meine Frau schickt mich schon wieder los. Sie hofft dann meist, dass es bald weitergeht. Ich sehe das nicht als Belastung, im Gegenteil: Mein Job gibt mir Energie. Das hilft auch, ihn gut zu machen. Wenn man etwas gern tut und es Teil des Lebens ist, geht man auch mit Belastungen besser um.
Ich bin grundsätzlich kein Jammerer. Ich geniesse, was ich habe, und schätze das. Und ich kann gut damit umgehen, wenn sich Dinge verändern; ich bin vorbereitet, sagen wir so.
Gerald Scheiblehner: Wie bist du zu dem gekommen, was du heute machst?
Oliver Beck: Ich habe jahrelang in der Medienlandschaft gearbeitet, war lange im Verkauf tätig. Über Ringier bin ich zu Energy gekommen und dann über den damaligen CEO zum FC Basel, um dort einen strukturierten Verkauf aufzubauen. Das hiess: Sales-Leute rekrutieren, die wirklich akquirieren können: Kaltakquise, Telefon, Besuche, Klinken putzen, echtes Verkaufen.
Du darfst dabei aber nicht wie ein Anzeigenverkäufer wirken. Fussball ist ein hochemotionales Produkt. Gerade in dieser Region ist der Club heilig. Wir waren sportlich in einer schwierigen Phase, im Abwärtstrend, haben es aber geschafft, kommerziell etwas aufzubauen. Vier Jahre war ich dort, konnte noch den neuen Hauptsponsor gewinnen und den ganzen Deal abschliessen. Danach kam ich über einen Headhunter mit GC Zürich ins Gespräch.
Für mich war klar, dass ich etwas Neues wollte. Die Historie des Clubs ist stark. GC muss sich nicht verstecken. Ich sehe riesiges Potenzial: sportlich wie wirtschaftlich. Der Wirtschaftsraum Zürich ist ideal. Ich kann mich hier stärker einbringen, Entscheidungswege sind kürzer. Mit Christoph Urech und Harald Gärtner gehen Entscheidungen schnell. Unser Weg ist klar: GC soll in der Stadt und Region wieder stärker verankert werden, kommerziell, im Auftritt und in der Visibilität. Ich glaube, wir haben eine gute Strategie, um das zu schaffen.
Oliver Beck: Gibt es ein Erlebnis, das dich nachhaltig verändert hat?
Gerald Scheiblehner: Ja, leider ein trauriges. Mein Neffe hat mit acht Jahren durch ein Unglück sein Leben verloren. Das hat die ganze Familie getroffen. Ich konnte mir vorher nie vorstellen, wie so etwas abläuft. Zum ersten Mal habe ich meine Eltern in einem Zustand erlebt, den ich nicht kannte. Das war eine persönliche Krise. Und das dauert lange, bis heute.
Es ist jetzt zwar anders, aber es bleibt schwierig. Dieses Erlebnis hat mich geprägt, weil ich seither Dinge anders einschätze und bewusster mit meinem Leben umgehe, vor allem mit meinen Kindern. Ich habe mein Leben zwar immer geschätzt, aber seit damals noch viel mehr. Viele empfinden den Alltag als Belastung, ich sehe ihn als Geschenk. Man sollte die guten Dinge im Leben bewusst wahrnehmen. Das hat mich nachhaltig verändert und wird mich wohl mein Leben lang begleiten.
Gerald Scheiblehner: Was steht bei dir immer im Kühlschrank?
Oliver Beck: Bier.
Ich habe immer Bier im Kühlschrank, nicht, dass sich jemand Sorgen macht (lacht). Du weisst nie, wer zu Besuch kommt. Und ich schätze einfach ab und zu ein gutes, kaltes Bier, wenn ich am Abend heimkomme. Lieber das als Cola oder Fanta. Ein schönes Glas gutes Bier geniesse ich sehr.
Gesprächsleiterin: Das ist doch ein schöner Schluss. Vielen Dank!
Gesprächsleitung und Text: Nicole Kaufmann, Grasshopper Fussball AG



